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Stalk me on Airbnb

  • Anonym
  • 29. Juli 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Apr. 2024

*Triggerwarnung: Dies ist ein Erfahrungsbericht zum Thema sexualisierte Belästigung.*


Alles begann mit einem Familienbesuch. Meine Mutter wollte zusammen mit ihrem Partner einige Tage in der Stadt verbringen, in der ich studiere. Wegen beengter Platzverhältnisse kam sie sonst immer allein zu mir, doch diesmal wollten wir eine Wohnung über Airbnb buchen, damit Mann und Hund auch dabei sein konnten. Aus familiärer Nettigkeit und weil ich als einzige der Beteiligten bereits einen Account besaß, übernahm ich Suche und Buchung. Ich fand eine hübsche Wohnung außerhalb der Stadt, noch dazu mit Garten. Es versprach sicher sehr idyllisch zu werden.


Ich war zu dieser Zeit bereits Mitte 20, doch mein Profil war noch ausgestattet mit einem Foto von mir aus der Anfangszeit meiner kurzen Herumreise-Karriere: ich, nett lächelnd, 17 Jahre alt. Die Vermieterin der Immobilie war nach ihrem Foto zu urteilen ca. 70 Jahre alt und hatte einen beruhigend harmlosen Großmütterchen-Vornamen wie Ingeborg oder Elise. Nach Bestätigung der Buchung stellte sich heraus, dass für die Verwaltung jedoch ihr Neffe zuständig war, ein Mann, dessen Gesicht und Personendaten mir gänzlich unbekannt waren, mit dem es aber nun Handynummern auszutauschen galt, um die Anreise zu regeln. Ich hatte schon bei der Buchungsanfrage mitgeteilt, für meine Mutter und ihren Partner zu buchen und selbst nicht ständig vor Ort zu sein, weshalb ich bevorzugt auf die Kontaktdaten meiner Mutter verwies.


Die Anreise fand statt, ohne dass besagter Neffe der Vermieterin vor Ort war, der Schlüssel lag unter der Fußmatte. Er selbst teilte mit, in einer anderen Stadt zu wohnen. Die ersten eineinhalb Tage verliefen (in Bezug auf die Wohnung) ereignislos. Dann entdeckte ich am Abend des zweiten Tages, dass eine unbekannte Handynummer mich mehrfach angerufen hatte. Ich checkte Airbnb – die Nummer stimmte mit der des Vermieters überein. Ich werde ihn ab hier Gerhard nennen. Ich rief meine Mutter an und fragte, ob im Haus alles okay sei. Alles unauffällig. Also schrieb ich Gerhard per SMS, dass wenn etwas bezüglich der Wohnung anliege, er sich besser an sie wenden solle, da ich wie angekündigt nicht immer dabei war. Zunächst keine Antwort.


Am nächsten Tag stoße ich in der gemieteten Wohnung zu meiner Familie und meine Mutter berichtet, Gerhard habe sie angerufen: Einen dringlichen Grund gab es nicht, er habe lediglich mitteilen wollen, dass der Check-Out in ein paar Tagen auch nach der angegebenen Zeit stattfinden kann. Doch abgesehen davon sei er sehr gesprächig gewesen. Er habe vom Ort und vom Haus geplaudert, von seinem Job erzählt und schließlich davon, dass er auf der Suche nach einer Frau sei. Dass meine Mutter eine hübsche Tochter habe und dass es ja ein „lustiger Zufall“ sei, dass ich 25 und er 52 Jahre alt sei. Ein netter Zahlendreher. Kurzum: Ein fast 30 Jahre älterer fremder Mann erklärte meiner eigenen Mutter am Telefon, dass er mich gern daten möchte und fühlt sich scheinbar vollkommen wohl und kein bisschen deplatziert dabei. Meine Mutter, von Natur aus zurückhaltend, hat verhalten abgewehrt und den Anruf daraufhin beendet. Kurz darauf erhielt ich folgende Textnachricht:

Oh, okay, Gerhard, so gut verstehen wir uns also schon? Wenn du meine Mutter „Mama“ nennst, gehörst du entweder schon fast zur Familie oder findest es irgendwie erregend, dass ich ein ‚junges Ding‘ bin, das noch so unter der Aufsicht seiner ‚Mama‘ steht, dass man wohl mit ihr über die Verbindung verhandeln muss – oder wie habe ich das zu verstehen? Und wer hat behauptet, ich wisse, wo in meiner Stadt „was los ist“ (Zwinkersmiley) und wer hat überhaupt gesagt, dass ich Interesse am Kontakt zu dir haben sollte? Ich kenne dich nicht.


Ich ließ die Nachricht unbeantwortet, um zumindest den häuslichen Frieden des aktuellen Aufenthalts nicht zu gefährden. Im Familienkreis machte ich jedoch klar, was ich von solchen Annäherungsversuchen hielt, die ja auch jeder mitbekommen hatte. Sowohl meine Mutter als auch ich wurden in den kommenden Tagen noch einige Male von Gerhard angerufen, ohne darauf zu reagieren. Auch zur Abreise würde er nicht vor Ort sein, das war bereits geklärt. Er schrieb mir noch eine SMS mit der Info, dass wir bei unserem nächsten Besuch Airbnb ja nicht mehr nutzen müssten, da wir nun ja auch alles privat klären können. Ich war so höflich, eine kurze, distanzierte Antwort zu verfassen, dass ich danke und man sich gegebenenfalls melden würde.


Mein Desinteresse an seinen Kontaktversuchen hat Gerhard scheinbar verstanden und sich daraufhin nicht mehr bei mir gemeldet. Was mir jedoch immer noch unverständlich ist, ist die Tatsache, dass er nach diesem Kurzurlaub zwar mich nicht mehr anrief, aber sehr wohl meine Mutter. Und zwar wochenlang. Dass es ein Problem mit dem Haus gegeben hatte, hielten wir inzwischen für unwahrscheinlich, zumal er dies auf verschiedenen Wegen hätte schriftlich mitteilen können. Seine regelmäßigen Anrufe wurden von uns nicht beantwortet. Als sie nach Wochen immer noch nicht aufgehört hatten, schrieb ich ihm schließlich auf Airbnb eine nicht sehr vorteilhafte Bewertung samt einer erklärenden privaten Nachricht über das Portal und blockierte seine Telefonnummer. Von da an hatten wir Ruhe und er tat mir sogar etwas leid. Doch eigentlich bin ich mir sicher: Ich bin nicht dafür verantwortlich, grenzüberschreitenden Fremden aus dem Internet das Unangenehme ihres Verhaltens zu erklären und dann noch geduldig abzuwarten, ob ihre Reaktion einsichtig ausfällt. Ich wünsche mir einfach, liebe Gerhards dieser Welt, baggert nicht unaufgefordert die Töchter eurer Mieterinnen an.


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