Loving Machines
- Lisa Maria
- 21. März 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Apr. 2024

Auf dem aktuellen Stand der Forschung und Technik scheint klar zu sein: Starke KI existiert nicht. Vielleicht wird sie auch nie existieren, da eine Verselbständigung des maschinellen Lernens durch begrenzte Speicherkapazitäten und vor allem begrenzte einzuspeisende Datenmengen blockiert wird. Dennoch sind in Politik, Medien und Popkultur verschiedene Vorstellungen starker oder sogar Super-KI sehr populär, die etwa in ferner oder auch weniger ferner Zukunft als eigenständige Akteure fester Bestandteil unserer Gesellschaft sein werden, mit Menschen Beziehungen führen oder im schlechtesten Fall eine Bedrohung für unser Leben oder unsere Gesellschaftsordnung darstellen könnten.
Ich möchte hier im Besonderen auf das genannte zwischenmenschlich-maschinelle Szenario eingehen: Egal ob in utopisch-dystopischen Spielfilmen wie „Her“ auf romantische Beziehungen zwischen Menschen und körperlosen KI angespielt wird oder in realen Lebenssituationen einsame Partnerlose sprechende Anime-Hologramme „heiraten“ – zumindest die Anerkennung der Möglichkeit emotionaler Bindung zwischen Mensch und Maschine ist weit verbreitet. Hieraus ergeben sich mehrere Fragen:
1. Ist eine Maschine – gerade in Anbetracht der eventuellen Unmöglichkeit starker KI – überhaupt in der Lage, (einen Menschen) zu lieben?
2. Könnte wiederum ein Mensch dazu in der Lage sein, eine Maschine zu lieben?
3. Welche ethischen Probleme ergeben sich aus einer solchen Mensch-Maschinen-Liebe?
Auf die ersten zwei Fragen sei an dieser Stelle nur kurz einzugehen. Die Forschung ist sich derzeit weitestgehend einig, dass KI keine „richtigen“ Emotionen haben, sondern diese bloß imitieren können. Nötige Voraussetzungen für „richtige Emotionen“, die intentional auf einen bestimmten Menschen gerichtet sind, wären nicht nur das Vorhandensein einer starken (vereinfacht zusammengefasst einer allgemeinen, also nicht nur anwendungsbezogenen) Intelligenz, sondern auch ein unmittelbarer Zugang zur Welt, sprich: ein Körper. Ob das Urteil der bloß imitierten Emotion auf einen humanoiden Roboter mit ausgeprägten sensomotorischen und weiteren körperlichen Fähigkeiten sowie starker KI noch zuträfe, wäre in diesem Fall erneut auszuloten.
Ob ein Mensch eine KI lieben könnte, ist eine ebenso verworrene Frage wie die nach der menschlichen Psyche selbst. Einerseits ist eine körperlose KI oder auch ein Roboter nicht in der Lage, alle Aspekte einer Liebesbeziehung abzudecken – etwa Berührung, Wärme, kurz: sich menschlich anzufühlen und damit bestimmte hormonelle Reaktionen auszulösen – andererseits sind auch in zwischenmenschlichen romantischen Verbindungen nicht immer alle Standardaspekte abgedeckt. Zudem ist das menschliche Gefühlsleben ebenfalls in der Lage, sich irregulär zu verselbständigen und z.B. ein kommunikationsunfähiges Objekt zu lieben (und hierbei spreche ich von Gegenständen, nicht von menschlichen Psychopathen) – wieso dann nicht auch eine intelligente, kommunikative und vielleicht sogar mit einem realistischen Körper ausgestattete KI?
Was ich hier jedoch besonders hervorheben möchte, sind die ethischen Folgen, die Mensch-Maschinen-Beziehungen haben könnten, seien diese im utopischen Setting einer hochtechnisierten Zukunft verortet oder auch aktuell, durch einen Menschen mit einer Maschine schwacher KI eingegangen. Ethische Probleme betreffen hierbei sowohl die Produktion von KI (denn sie wird künstlich erzeugt und ist deshalb zunächst eine Ware) als auch den Handel mit ihr sowie ihre Nutzung. In der Betrachtung des Marktes springt zunächst ins Auge, dass in der Einrichtung und Vermarktung von KI, die Menschen affektiv an sich binden kann oder soll, eine enorme Verantwortung und Macht auf Seiten der jeweiligen Tech-Unternehmen liegt. Sie sind in der Lage, emotionale Abhängigkeiten an ein kostenpflichtiges Produkt zu schaffen – das zudem vermutlich störungsanfällig sowie endlich ist –, Menschen so zunehmend von realen zwischenmenschlichen Kontakten abzuschneiden und durch die Programmierung der KI maßgeblich mitzubestimmen, wie Bindungen sich gestalten. Im noch utopischen Falle der Vermarktung starker KI kommt zudem die Frage hinzu, ob es überhaupt vertretbar ist, mit einem Ding bzw. Wesen zu handeln, das Bewusstsein haben könnte – wie sollten und dürften wir überhaupt ethisch mit einem solchen maschinellen Wesen umgehen, ohne es zu missbrauchen?
Doch die Frage nach dem Umgang mit KI stellt sich auch schon bei einer schwachen: Im Falle einer Bindungs-KI stellt diese ein Ding dar, das gegebenenfalls von einem Menschen geliebt wird und allein deshalb Einzug in berücksichtigungswürdige Sphären erhalten könnte. Zudem droht die Bindungs- und Verhaltensausprägung im Verhältnis von Mensch zu Maschine zunehmend zu verwischen: Kann ein Mensch mit einem maschinellen Beziehungspartner, der z.B. darauf programmiert ist, immer angenehm und fügsam zu sein, alles tun, was ihm im Sinn steht, könnte er auch gegenüber anderen Menschen verrohen oder wichtige soziale Kompetenzen nicht adäquat ausbilden. Da KI durch die zum Training eingegebenen Daten zudem nicht unvoreingenommen, sondern durch unsere Gesellschaftsstruktur geprägt ist, besteht die Gefahr, dass eine zur Bindung modellierte KI z.B. Geschlechterstereotype zementiert und somit zur Aufrechterhaltung von sexistischen Strukturen, Gewalt gegen Frauen usw. beiträgt.
Titelbild: Lisa Fotios, nachbearbeitet